Annette Sallas wichtigste Motivation ist es, zu gestalten - sowohl ihren Aufgabenbereich als auch ihre Rolle. Dabei helfen der Direktorin des Bereichs CRM Events & Congress bei der Berliner Biotronik SE & Co. KG ihre grundsätzliche Offenheit und eine zugewandte Haltung. 'Was brauchen andere?' und 'Was kann ich beitragen?' sind die Leitfragen, die sie in ihrem Werden begleiten.
Frau Salla, welche Empfehlung in Bezug auf Führung möchten Sie in das Lehrbuch jeder Nachwuchs-Führungskraft schreiben?
Führung übernehmen heißt für mich Verantwortung für andere übernehmen, sich zu interessieren – wer ist der andere, was treibt ihn, was hindert ihn, was sind die jeweiligen Interessen, Talente, Erfahrungen und wie bringe ich das am sinnvollsten mit den Aufgabenstellungen übereinander. Das gilt auch für mich in der Rolle als Team Leitung, heißt, ich muss mich mitteilen, einfühlbar machen, ehrlich sein. Das ist ein ständiger Prozess, weil wir und unsere Umgebung immer in Bewegung sind.
Sie sagen, dass "sich interessieren" wichtig ist für Führung. Wie stellen Sie für sich sicher, dass Sie den Kontakt zu Ihrem Team auf dieser Ebene halten? Gibt es spezielle Rituale die Sie dazu pflegen?
Ich begrüße immer jeden persönlich, da ergibt sich meistens ein kurzes Gespräch, in dem es um berufliches und privates gehen kann. Durch die langjährige
Zusammenarbeit, kenne ich von jeder Mitarbeiterin den persönlichen Kontext, dadurch gibt es ausreichend Anknüpfungspunkte. Das ist alles sehr organisch, ich plane hier nichts ein, dass würden mir
die Frauen auch nicht abnehmen. Und ich gehe nie, ohne mich zu verabschieden.
In unseren Regelmeetings und Team Tagen baue ich oft Fragen oder Impulse ein, zum Beispiel ‚Ich habe schon mal Dinge weitererzählt, die ich besser für mich behalten
hätte.‘ – Auf einer gedachten Skala von 1-10 sortieren wir uns ein und kommen dann ins Gespräch. Ansonsten pflegen wir gemeinsame Lunches und kurze gemeinsame Spaziergänge.
Gibt es ein Buch oder anderes Lehrmaterial, das Sie besonders vorangebracht hat? Inwiefern hat es geholfen?
Aktuell bin ich ein großer Fan von dem Magazin ‚Neue Narrative‘. Ich kann mich mit einem Großteil der Beiträge identifizieren beziehungsweise bin motiviert, mich näher mit Themen zu beschäftigen, zum Beispiel spannungsbasiertes Arbeiten. Konflikte sind nicht meine Komfortzone, da muss ich mich schon sehr coachen. Die vielschichtige Darstellung des Themas im Magazin hat mir geholfen, Spannungen als etwas Positives abzugewinnen, sie als Potential zu sehen. Es gibt sehr praktische, gut anwendbare Hilfestellungen. Ich bin noch nicht routiniert genug, merke allerdings eine energetische Verbesserung.
Können Sie kurz erklären, worum es bei dem Begriff "Spannungen" geht?
Spannungen können das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Meinungen, Wertvorstellungen, Lösungsansätze, Ziele sein, auch Über- oder Unterbelastung. Alles, was ein ‚Stopp‘ auslöst. Ich bemühe mich, ein paar Schritte zurückzugehen, statt sofort mit einer Lösung zu kommen, Rückfragen zu stellen statt den Film im Kopf laufen zu lassen, Anerkennung statt Verurteilung – kurz, mich mehr im Spannungsraum zu bewegen. Dadurch entsteht eine produktive Distanz und oft die Erkenntnis, dass man nur ein kleiner Punkt im Universum ist.
"Wenn man andere nicht behindert, zum Beispiel durch Kontrolle, dann kommen die Ideen und Lösungen von ganz alleine."
Wie stellen Sie als Führungskraft sicher, dass Ihre Mitarbeitenden autonom arbeiten und Höchstleistung bringen?
Vertrauen. Vertrauen darauf, dass jeder etwas beitragen möchte, sinnvoll arbeiten möchte, sich verwirklichen möchte, gestalten will, entscheiden will. Wenn man andere nicht behindert, zum Beispiel durch Kontrolle, dann kommen die Ideen und Lösungen von ganz alleine.
Wo sind für Sie die Grenzen von Vertrauen, sprich was genau beziehungsweise auf welcher Ebene kontrollieren Sie? In welchen Abständen nehmen Sie Einsicht in die "Black Box" die Ihre Mitarbeiter:innen darstellen?
Ich habe mich das in Bezug auf mein Team noch nie gefragt, ob es Grenzen von Vertrauen gibt. Eigentlich will ich eher so viel Autonomie wie möglich für jede von
uns. Wer mehr Rücksprache und –versicherung benötigt, bekommt das. Ich biete mich immer auch zum Austausch / Sparring an und brauche und nutze das natürlich auch selbst.
Wir haben zu bestimmten Themengebieten einen monatlichen Fachaustausch, wir haben ein wöchentliches, sehr kurzes, auf die nächsten Schritte ausgerichtetes Regelmeeting, 2-3 Mal im Jahr
individuelle Abstimmungen, einen Team Tag pro Jahr, einmal im Jahr kochen wir, jetzt soll noch ein Wandertag und ein vierteljährliches Meeting dazu kommen, in dem wir uns mehr Zeit für Themen
nehmen, die alle betreffen. Ich passe Governance dem Bedarf an, da wirkt auch der Unternehmenskontext. Wenn es gerade viel Veränderung gibt, ist der Rede- und Abstimmungsbedarf höher.
Steckten Sie in Sachen Führung schon einmal in einer Sackgasse?
Ja. Ich habe einen langjährigen Mitarbeiter zugeordnet bekommen, der mit einem Rucksack an Problemen insbesondere in Bezug auf mangelnde Leistungsbereitschaft gestartet ist. Ich konnte mich auf ‚neutrale‘ Haltung coachen und bin irgendwie davon ausgegangen, dass ich das mit der Motivation und Leistung schon hinbekomme. Von maximalem Freiheitsgrad bis zu sehr enger Taktung habe ich drei Jahre lang alles versucht und es nicht geschafft, eine Veränderung herbeizuführen. Das hat mich frustriert und vor allem den Rest des Teams sehr belastet. Am Ende habe ich eine Entscheidung für das Team getroffen und den Trennungsprozess eingeleitet. Wäre ich erneut in einer ähnlichen Situation, würde ich das viel gezielter angehen und eher akzeptieren, dass es manchmal einfach nicht passt und das ok ist.
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Britta (Montag, 30 März 2020 23:00)
Danke, Annette, für Deine Einsichten. Vieles scheint selbstverständlich, ist es eben gerade nicht. Und interessant, dass Di eine ähnliche Erfahrung teilst: es ist wichtig, über verschiedene Ansätze zu versuchen, Mitarbeiterinnen ins Team und in die Performance zu bringen, aber es geht nicht mit jedem. Ich frage mich, wie wir das schneller unterscheiden können.,