Marion Glück ist als Psychologischer Business Coach für Führungskräfte tätig. Ihre Führungserfahrung sammelte sie als eine der ersten weiblichen Führungskräfte in einer Männerdomäne. Als Marineoffizier mit einem Diplom in Betriebswirtschaftslehre brachte sie ihre Erfahrung auch international in England am Britannia Royal Naval College ein und lehrte in Indien an der Indian Naval Academy. Sie hat Führung als Matrose „von der Pike auf gelernt“ und immer wieder Stück für Stück praktisch angewendet bis sie Chefin einer Ausbildungskompanie mit 170 Soldaten war. Anschließend war sie in einem Konzern als Training Manager tätig, bevor sie sich zu 100% ihrer Selbstständigkeit gewidmet hat. Ihren Lebensweg kann jeder im Buch „Das Leben ist BUND“ lesen.
Frau Glück, von welchem Rat, den Sie als Führungskraft bekommen haben, nehmen Sie heute Abstand und warum?
Ich bekam immer wieder den Rat „Führe andere so, wie Du selbst geführt werden möchtest.“ Davon halte ich nichts, denn ich bin nicht die anderen und die anderen sind
nicht ich. Die anderen Menschen sind genauso individuell und haben unterschiedliche Bedürfnisse und Werte. Als Führungskraft gilt es diese herauszufinden und die anderen Menschen so zu führen,
wie sie aufgrund ihrer Werte und Bedürfnisse bestmöglich geführt werden können.
Die Wertehierarchie eines Menschen gibt den Hinweis auf seine Motivatoren. Ich arbeite dabei mit ca. 300 Wertekarten. Auf jeder Visitenkarte steht ein Wert. Dann kann man diese sortieren und
immer entscheiden "Ist A oder B wichtiger" und man kann sie in eine Reihenfolge bringen. Es gibt im Netz auch diverse Wertelisten. Diese sind recht unflexibel, tun es aber auch.
Einer Führungskraft empfehle ich da Fingerspitzengefühl. Wer die Werte des Gegenübers kennt, kann ihn lesen, verstehen und führen. Welche Werte übrigens sehr oft
dabei sind, sind: Sicherheit, Anerkennung, Wertschätzung, Erfolg, Entspannung.
Der Grundsatz ist natürlich, dass die Führungskraft Menschen mag, ihnen zugewandt ist und sich ehrlich für sie interessiert. Das kann sie am Besten, wenn sie sich selbst mag, sich selbst
zugewandt ist und sich mich sich selbst auseinandersetzt, sich immer wieder hinterfragt und reflektiert. So entsteht Kontakt. Kontakt zu sich selbst und zu anderen und wird zu einem Miteinander.
Die Führungskraft kann dann mit den jeweiligen Stärken der Menschen arbeiten. So entwickelt sich ein vertrauensvolles „Hand in Hand“-Arbeiten und kein „Einheitsbrei“.
"Gute Führungskräfte werden niemals bei Sonnenschein gemacht."
Sie sagen als Führungskraft muss man sich selbst mögen und sich mit sich selbst auseinandersetzen. Wie haben Sie sich hinterfragt und reflektiert?
Ich habe mir auf der Fahrt nach Hause immer wieder die Fragen gestellt "Womit war ich heute zufrieden? Was hätte ich anders machen können? War ich fair?" Ich habe mich immer wieder diszipliniert, meine Sympathie/Antipathie aus Entscheidungen zu streichen. Bei Personalentscheidungen stellte ich mir immer vor, meinem Bruder gegenüber zu sitzen, um das faire Maß zu finden. Ich liebe meinen Bruder und so war ich sicher, dass ich hart genug und doch gleichzeitig auch sachlich sein konnte, um für mich ein gutes Maß zu finden. Die Geliebter-Mensch-Filter-Methode ist für mich sehr wertvoll und wichtig gewesen.
Wer hat Ihnen einen Rat gegeben, der Ihnen in Bezug auf Führung besonders geholfen hat? Wie lautete dieser Rat? Wie haben Sie ihn in die Tat umgesetzt?
Ich wollte bei thyssenkrupp mal einen „JobSwap“ mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden machen und hatte ihn angeschrieben. Ein Praktikum beim Vorstand war eine
weitere Idee von mir. Wie Sie sich denken können, war das nicht möglich. Dr. Heinrich Hiesinger bot mir damals an, mit ihm Mittagessen zu gehen und so nahm ich mir Urlaub und fuhr zum Essen nach
Essen. Ich bin ein neugieriger Mensch und die Arbeitsthemen, die Meetingkultur und alles zum Thema Führung interessierte mich und so fragte ich ihm buchstäblich Löcher in den Bauch. Er empfahl
mir damals das Buch „Die Kunst sich selbst auszuhalten. Ein Weg zur inneren Freiheit“ Von Michael Bordt SJ und er sagte „Gute Führungskräfte werden niemals bei Sonnenschein gemacht“. Sowohl das
Buch als auch das Zitat beschäftigten mich lange und begleiteten mich auf dem Weg in meine Selbstständigkeit. Ich konnte dadurch meine Vergangenheit und mich selbst viel besser verstehen,
reflektieren und annehmen.
Aus welchem Fehler Ihrer Führungskarriere haben Sie etwas Wichtiges gelernt?
Ich habe mich immer an meine Werte gehalten. Bei mir ist der Wert „Sicherheit“ sehr weit oben in meiner Wertehierarchie. So habe ich mich immer vor die Leute
gestellt, wenn der Wind von vorne kam oder hinter meine Leute, wenn sie eine Rückendeckung brauchten. Dabei habe ich nur leider mich vergessen und meine eigene Sicherheit. Dass ich mich ebenfalls
selbst schützen muss, war mir nicht so wichtig und ich bezahlte mit meiner Gesundheit. Ich habe daraus gelernt, dass ich nur situationsabhängig die Verantwortung für andere trage und immer die
Verantwortung für mich selbst und meine Gesundheit habe. Wenn ich mich nicht um mich selbst kümmere, wenn ich immer schwächer werde und irgendwann komplett krank bin und ausfalle, dann kann ich
nicht mehr für die anderen da sein. Seitdem sind auch „Gesundheit“ und „Glück“ sehr weit oben in meiner Wertehierarchie.
Welche Führungskraft unter der Sie selbst gearbeitet haben war für Sie die Beste? Was hat diese Führungskraft richtig gemacht?
Während meiner Zeit an der Marineschule in Flensburg gab es einen Kommandeur. Er war immer freundlich, ruhig, gelassen und dabei spielte es keine Rolle, wie
stressig die Situation war oder ob sein Gegenüber Matrose, Offizier oder Hausmeister war. Er nahm sich für jeden Menschen Zeit und hörte zu. Was mich am meisten begeisterte, war, dass er bei
Problemen immer dazu anhielt sich selbst Gedanken zu machen. Er fragte nach den eigenen Lösungsmöglichkeiten und -wegen und hinterfragte diese dann. Er befähigte mich zum (Mit-)denken und
gleichzeitig lernte ich meine Lösungen selbst zu hinterfragen. Wenn ich nicht weiterkam, weil mir die Erfahrung fehlte, dann gab er mir Hinweise und zusätzliche Lösungsmöglichkeiten, die aus
seiner Lebenserfahrung herrührten. Er gab mir immer das Gefühl, dass wir auf Augenhöhe kommunizierten. Er war humorvoll und lebte „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“. Er forderte und förderte
seine Soldaten und ich folgte ihm gerne, denn er war eine Persönlichkeit. Er brauchte seinen Dienstgrad nicht um Gehorsam einzufordern oder als Status.
"Dass ich mich ebenfalls selbst schützen muss, war mir nicht so wichtig und ich bezahlte mit meiner Gesundheit."
Fällt Ihnen dazu noch ein spezifisches Beispiel ein, das besonders erinnerungswürdig ist?
Ich kann mich daran erinnern, dass ich mal gegen einen Befehl verstoßen hatte. Ich trug bei einem Marsch mein iPod (Befehl war: Musik verboten). Ich hatte so ein
schlechtes Gewissen, dass ich ihn noch während des Marsches anrief und mich selbst "angezeigt" (gemeldet) habe. Wir hatten anschließend an den 30km-Marsch ein Gespräch. Was ich tun würde, wenn
ich an seiner Stelle wäre. Er brachte mich dazu mich selbst zu bestrafen (ich gehöre zu den Menschen, die zu sich selbst sehr hart sind). Das fand ich so beeindruckend, weil ich lernte, wie er zu
denken. Und ich liebte meine Strafe und war sehr motiviert. Ich sollte damals vor meinen Kameraden einen Unterricht zum Thema "Befehl und Gehorsam" halten.
"Jemand der immer unter Druck führt, wird als Panik- und Stressmacher wahrgenommen."
Hat er diese Einstellung stets aufrecht erhalten, auch unter Druck?
Ich habe nie erlebt, dass er unter Druck stand. Er war immer besonnen. Das macht eine gute Führungskraft aus. Sie lässt sich manches
nicht anmerken (schon gar nicht an einer Schule im Tagesdienst). Auf einem Kriegsschiff wäre "Druck" anders, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht. Stellen Sie sich den Kommandanten auf einem
Kriegsschiff vor. Er wird den Führungsstil anpassen - direkte Befehle geben, schnelle Entscheidungen treffen und die Truppe wird den Unterschied erkennen, aufgrund des vertrauensvollen Führens
vorher. Jemand der immer unter Druck führt, wird als Panik- und Stressmacher wahrgenommen.
Kennen Sie die Geschichte vom Lamm? Es ruft immer wieder den Hütehund "Ein Wolf, ein Wolf" und der Hund kommt angehetzt, um festzustellen, dass das Lämmchen sich kaputtlacht. Und irgendwann in der Nacht ruft das Lamm wieder "Ein Wolf, Hilfe ein Wolf" und es wird gefressen, weil der Hund es nicht mehr ernst nimmt. Diese Geschichte sollte eine gute Führungskraft kennen und genau überlegen, wann wirklich Panik angesagt wäre. Ich höre so oft "Bei uns brennt die Hütte. So viel los." Und wenn ich mit dem Team spreche, dann lachen sie über den Chef.
Welche „Leadership Hacks“ haben Sie für sich entdeckt?
Ich liebe den Hack: „Vertrauen fördern durch fordern“.
Die Menschen früh in die Verantwortung bringen, ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufbauen, in dem ich ihnen etwas zutraue, was sie sich selbst noch nicht zugetraut hätten. „Wer es
schnell und unvorbereitet kann, wird es immer können.“ Wenn ich das als Führungskraft früh übe, dann befähige ich meine Mitarbeiter. Ich mache sie stärker. Gleichzeitig kann ich mich selbst
entlasten und andere bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Karriere unterstützen. Das fühlt sich toll an und macht glücklich.
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